1978 im Ruhrgebiet geboren, verschlug es mich 1999 an die Ostseeküste, wo ich zwei Jahre später meine ersten ausgewaschenen Planken betrat.
Der damals noch in Lübeck liegende Haikutter „VICTOR JARA“ (Baujahr 1917), infizierte mich schleichend und unheilbar mit dem für Landratten schwer nachvollziehbaren Virus für hölzerne Schiffe. Mittlerweile sind über zwanzig Jahre vergangen. In dieser Zeit segelte ich auf vielen verschiedenen Schiffen, war 10 Jahre im Besitz einer in 1930 in England gebauten Ketsch, bevor meine Frau und ich im Jahr 2014 einen Esbjerg - Kutter von 1958 erwarben. Diesen bauten wir zum Wohnschiff um, bevor er dann für acht Jahre unser Zuhause wurde.
Meine Ausbildung zum „Schiffszimmermann“ absolvierte ich bei Hugo Hansen in der „Rødbyhavn Baadevaerft“ in Dänemark, wo ich 2014 zum ersten Mal einen traditionsreichen Werftbetrieb kennenlernte. Mittlerweile arbeite ich freiberuflich zwei Wochen pro Monat in Rødby. Meine primären Wirkungsstätten sind jedoch die Häfen der Lübecker Bucht. Man trifft mich dort sowohl auf betagten Kuttern, Traditionsseglern und auch auf klassischen Yachten an.
Der Beruf des „Skibstømrer“, zu deutsch „Schiffszimmermann“ ist in Dänemark ein eigenständiges Gewerk. Es unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom hiesigen Bootsbauer. Der Schiffszimmermann war in jener Ära, als es noch viele (hölzerne-) Frachtsegler gab, ein festes Besatzungsmitglied. Auf den damals mitunter monatelangen Seereisen, war „Bruch“ an der Tagesordnung. Seine Aufgabe war es, die notwendigen Reparaturen mit Bordmitteln schnellstmöglich durchzuführen, damit der Schiffsbetrieb weitergehen konnte.
Heute findet man den Schiffszimmermann hauptsächlich auf den Werften Skandinaviens, welche noch in traditioneller Weise Holzschiffe bauen und reparieren. Einige der angewandten Techniken sind viele Hundert Jahre alt, es ist also keine Übertreibung, wenn man in diesem Zusammenhang von maritimem Kulturgut spricht.
Apropos Kulturgut: An dieser Stelle sei erwähnt, dass der nordische Klinkerbau im Dezember 2021 in die Repräsentative UNESCO Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde.
Das Tagesgeschäft des „Skibstømrer“ lässt sich sehr gut anhand der „ANNA ELISE“ veranschaulichen. Der knapp 20 m lange, 1932 auf Fanø gebaute Haikutter, gehört seit Jahren zur Stammkundschaft in Rødby. 2019 erneuerten wir an Steuerbord die obersten fünf Plankengänge, ersetzten diverse Spanten, tauschten die kompletten Relingsstützen sowie das Leibholz und Schandeck und erneuerten die Reling und das Schanzkleid. Außerdem bauten wir neue Belegklampen und Nagelbänke, montierten neue Rüsteisen und kalfaterten fast den kompletten Rumpf.
Die Bilder dieser Sanierungsmaßnahmen finden Sie in der Galerie.
Jeder, der ein Holzschiff sein Eigen nennt, weiß um die begrenzte Halbwertszeit von Holz. Ganz egal, ob Lärche, Mahagoni oder Eiche, selbst Teak wird irgendwann wieder zu Erde. Dies bedeutet, daß früher oder später so ziemlich jedes Bauteil dem Zahn der Zeit zum Opfer fällt und getauscht werden muss. Da es hierfür aber keine Ersatzteile von der Stange gibt, müssen diese Teile von Hand hergestellt werden. Ganz egal ob Planken oder Spanten, Steven oder Kiel, Masten oder Spiere: Am Anfang steht immer der rohe Stamm. Daraus wird dann, je nach Bedarf, das passende Bauteil gefertigt.
Für die (glücklichen) Menschen ohne Holzschiff eine kurze Exkursion:
Kalfatern nennt man die uralte Technik, Plankennähte – und Stösse des Schiffsrumpfes (oder auch Decksplanken) mittels Werg oder Baumwolle abzudichten, welche anschließend traditionell mit Pech vergossen werden. Als Werg bezeichnet man mit Teer getränkte Hanffasern, die zu einem langen Strang gesponnen werden. Dieser Strang wird mit einer speziellen Technik in die Plankennähte eingeschlagen.
Für die (noch glücklicheren) Menschen mit Holzschiff:
Damals kamen beim Bau eines Schiffes bis zu zwanzig verschiedene Gewerke zum Einsatz. Es gab eigens Handwerker, die nichts anderes taten, als zu kalfatern. Von morgens bis abends, jeden Tag, sechs Tage die Woche und oft auch darüber hinaus.
Jeder Schiffseigner, der selbst schon einmal Schöreisen und Kalfathammer in der Hand hatte, weiß was das bedeutet.
Kalfatern lernt man nicht über Nacht. Es bedarf vieler Jahre Praxiserfahrung (und vieler eingeschlagener Kilometer an Werg), damit das Ergebnis ein Verlässliches ist. Die Nähte eines Unterwasserschiffs sind vergleichbar mit den Bremsen eines Autos: - auf sie muss hundertprozentig Verlass sein.
Mit mobiler Dampfkiste tausche ich vor Ort Planken im Freibordbereich
Kalfatern von Deck, Freibord und Unterwasserschiff
Masten, Spieren, Pollern und Bugspriets, Ruderblätter und Pinnen, Skylights und Luken, Aufbauten und massive Holzdecks, Treppen, Leitern und Niedergänge, Belegklampen, Nagelbänke, Backskisten etc.
Gerne plane ich mit Ihnen zusammen den Innenausbau Ihres Schiffes und helfe bei der Umsetzung Ihrer Umbauwünsche. Wenn möglich mit der Priorität, die originale Substanz zu erhalten und praktikable Lösungen zu finden.
Ich übernehme Arbeiten in der Takelage oder helfe Ihnen beim Auf- oder Abriggen.
Kostenvoranschläge
Sie benötigen einen Überblick, was welches Bauvorhaben kostet?
Ich erarbeite für Sie eine detaillierte Aufstellung der einzelnen Positionen
und entwerfe mit Ihnen zusammen einen persönlichen Arbeitsablaufplan.
Kaufberatung
Sie beabsichtigen ein Schiff zu kaufen? Egal ob Klassiker oder Traditionssegler, gerne stehe ich Ihnen beratend zur Seite und schaue mir mit fachlicher Kompetenz den Zustand und die allgemeine Substanz an. Bei Bedarf erstelle ich für Sie Reparatur- sowie Sanierungskonzepte und begleite Ihr neues Projekt.
Werftservice
Sie planen einen Werftaufenthalt? Gerne können Sie mich für diese Zeit buchen.
Des Weiteren vermittle ich Ihnen, wenn gewünscht, weitere Fachleute und erarbeite mit Ihnen
gemeinsam Prioritätenlisten der zu erwartenden Arbeiten.
Überführungen
Sie sind zeitlich verhindert oder brauchen Unterstützung bei Ihrem Überführungstörn?
Ich verhole für Sie ihr Schiff, Europaweit.
Der Schiffszimmermann hieß „Blau“
Von Henning Sietz
„Auf deutschen Segelschiffen hieß der Zimmermann immer „Blau“. Den letzten Schiffszimmerleuten, die es heute noch gibt, ist die Bezeichnung wohlvertraut, und die älteren Wörterbücher zur Schifffahrt, etwa die von Kluge, Stenzel oder Tecklenborg, nennen den Begriff ebenfalls. „Hol Blau!“, „Das soll Blau machen!“ – so gingen die Worte, wenn das Deck zu kalfatern oder eine Planke auszuwechseln war.
Auf Schiffen, die aus Holz bestanden, war Blau ein gefragter Mann. Und eine gut ausgebildete Fachkraft obendrein: Auf einer Werft konnte meist nur jemand den Beruf des Schiffszimmermanns erlernen, der bereits einige Jahre als Matrose zur See gefahren war. Mit dem Gesellenbrief in der Tasche heuerte er wieder auf einem Schiff an und war fortan einer der Spezialisten an Bord. So breit seine Ausbildung, so kurz sein Beiname. Hatte der Mann keinen besseren verdient?
Keiner weiß so recht, woher der Name kommt. Noah und Odysseus waren zwar Schiffszimmerer, doch Beinamen, die sich auf ihren Beruf bezogen, sind nicht bekannt. Plötzlich ist er da, dieser Blau, logiert achtern neben dem Kapitän, dem Ersten und dem Zweiten Offizier, in eigener Kajüte. Wache braucht er nicht zu schieben. Er untersteht allein dem Kapitän und den Offizieren. Blau ist eine Respektsperson. Doch woher dieser Name?
Die einen meinen, weil „Blau“ mit seinem Holzhammer Schläge setzte, was englisch „to blow“ heiße. Nicht sehr überzeugend, meinen wir, auch wenn Konrad Reich und Martin Pagel in ihrem Werk „Himmelsbesen über weißen Hunden“ (Hamburg 1981) diese Erklärung anführen. Andere sagen, die Farbe Blau sei schon immer ein Synonym für Täuschung, List und Verstellung gewesen, und weil der Schiffszimmermann als Beherrscher aller Lecks und Leckagen ... Doch wir sind nicht dieser Meinung und weisen die Unterstellung auf das Schärfste zurück. Blau war ein solider Handwerker, der keinesfalls zu Mitteln der Täuschung greifen musste.
Der Auffassung von Friedrich Kluge in seinem Standardwerk „Seemannssprache“ (Halle 1911), „Blau“ sei ein Spottname, mögen wir uns ohne weiteres ebenfalls nicht anschließen. Wieder andere vermuten, weil „Blau“ so oft blau gewesen sei. Das leuchtet überhaupt nicht ein, gesoffen haben sie an Bord schließlich alle.
Bleiben die nüchternen Zeitgenossen, die sagen, der Name komme einfach vom „blauen Anton“, den Blau stets bei der Arbeit getragen habe. Könnte sein. Doch wir mutmaßen, dass unser Mann schon „Blau“ hieß, bevor die Werktätigen die blaue Latzhose für sich entdeckten. Worte des mecklenburgischen Heimatforschers Richard Wossidlo lassen darauf schließen – aber nur, wenn man zwischen den Zeilen zu lesen vermag.
Wossidlo, mit einer kleinen Arbeit über den Namen „Blau“ befasst, stößt im mecklenburgischen Platt auf weitere, viel versprechende Beinamen des Schiffszimmerers, nämlich „Blaagsack“, was „Blausack“ heißt, und „Blaagbüdel“, den Blaubeutel. Wossidlo beginnt daraufhin eine Feldforschung und trifft einige Fahrensleute vom Fach Zimmermann. Unser Forscher trägt seine Frage vor, warum der Schiffszimmermann besagte Beinamen habe – und erhält vom Wortführer der Handwerker folgende Antwort: „Wenn de Schöpstimmermann mit’n Deixel haugt bi’t Afslichten, haugt he jo oft vörbi un haugt sik den Büdel blag. Dorüm heit he de Blaagbüdel.“
Das ist im dicksten mecklenburgischen Platt gesprochen und bedeutet, dass unser Schiffszimmerer beim Glätten des Holzes mit dem Zimmermannsbeil, dem Dechsel, daneben schlug, woraufhin die Axt abglitt und ihn auf die allerschmerzhafteste Weise am Gemächte traf, das daraufhin schlagartig die Farbe wechselte und in einem kräftigen Blauton anlief. Wossidlo schrieb die Worte des fahrenden Mannes auf, bedankte sich und ging fort, tief in Gedanken versunken. Die Kerle werden selten so gelacht haben wie an jenem Tag, da ihnen Herr Wossidlo über den Weg lief.“
Der Bootsbau (oder genauer gesagt der Schiffsbau) hat in Lübeck eine lange Tradition. In den „guten, alten Zeiten“ waren ganze sechs Werften an der Trave angesiedelt: Die Koch Werft, LMG, Orenstein & Koppel, HATRA, Schlichting und die Flender Werft, welche am längsten durchgehalten hatte und im Jahr 2003 ihre Werkstore für immer schloss. Die Gründe für die Schließungen waren mannigfaltig: Hoher Konkurrenzdruck aus Asien, die hierzulande hohen Personal- und Produktionskosten, sinkende Auftragszahlen, et cetera. Seitdem sind viele Jahre ins Land gegangen und die Zeit der hiesigen Großwerften ist unwiderruflich vorbei. Dennoch sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Hansestadt Lübeck nach wie vor ein attraktiver Standort für kleinere Werftbetriebe sein könnte. Die Betonung liegt auf „könnte“, denn offenbar fehlt hierfür der politische Wille. So wundert sich der Betrachter angesichts so vieler Trave-Ufer Kilometer über die wenigen Werften, die der Bezeichnung „Werft“ auch gerecht werden würden.
Um beim Konjunktiv zu bleiben: Was wäre alles möglich, gäbe es seitens der Kommunalpolitik Förderprogramme für die Schaffung maritimer Arbeitsplätze. Natürlich klingen Projekte wie „Wohnen am Wasser“ gefälliger als jede noch so schöne Namensgebung für einen Werftbetrieb. Natürlich setzen Investoren auf althergebrachte Modelle und natürlich hat jeder Kaninchenzuchtverein eine größere Lobby als ein paar junge, motivierte Bootsbauer die ein Dock in Stadtnähe betreiben wollen. An dieser Stelle muss jedoch die Frage gestattet sein, was eine Stadt attraktiv macht? Insbesondere, wenn man langfristig plant?
Stattdessen wird der Bau von Eigentumswohnungen auf ehemals historischen Hafen-Arealen oder in Nähe kulturell bedeutsamer industrieller Denkmäler genehmigt, von denen einige, sind sie erst einmal fertiggestellt, mit großer Wahrscheinlichkeit nur sechs Wochen im Jahr bewohnt werden und die restliche Zeit über leer stehen, anstatt einer buntgemischten Handwerkerszene in den gleichen Liegenschaften ein lebendiges Angebot an echtem Hand-Werk anbieten zu lassen. Nötig wären nur die passenden Immobilien und natürlich eine modernisierte Infrastruktur. Das Potenzial wäre enorm.
Rufen Sie mich einfach an oder schreiben Sie mir eine E-Mail. Ich freue mich auf Ihre Anfrage!
Mobil: 0049 176 - 625 205 33
Mail: schiffszimmermann[at]gmx.de